Markus Salinger guckt verständnislos, obwohl er offensichtlich genau weiß, auf was die Frage abzielt: Was macht Alkohol und was machen Drogen im Kopf? Die Reaktion des Oberarztes der Suchtklinik am Bezirkskrankenhaus Bayreuth lässt stutzen, da grinst Salinger schon und sagt: „Alkohol ist eine Droge.“ Okay. Das haben wir schon einmal gelernt. Es gibt keinen Unterschied zwischen Alkohol und dem, was man landläufig unter Drogen versteht, also Kokain, Heroin, Cannabis. Alkohol ist genau das auch: eine Droge.
Doch was machen alle diese Stoffe im Gehirn? Die einfache Antwort: sie zerstören es.
Drogen stören die Balance der Neurotransmitter. Heißt, sie wirken auf die Informationsübertragung im Gehirn. Alkohol beispielsweise hemmt bestimmte Glutamatrezeptoren (zuständig für Kommunikation der Nervenzellen, das Erinnerungsvermögen und Lernen), Substanzen wie Kokain blockieren sie. Allen gemeinsam ist, sie verändern Gehirnmasse, das Gehirnvolumen wird kleiner. Und auch, wenn Kokain, Heroin, Alkohol, wenn alles unter dem Begriff Droge zu fassen ist, so zeigen die verschiedenen Drogen dann doch unterschiedliche Effekte. „Der Abhängige nutzt diesen Mechanismus, um seine Stimmung zu modellieren“, sagt Salinger. Grundsätzlich verstärke die Droge die Grundstimmung, in der sich jemand befindet. Ist man also depressiv und trinkt, verbessere das nicht die Laune, sondern verstärke die Depression. Und: Unterschiedliche Wirkungen werden nicht nur durch unterschiedliche Substanzen erzielt. Dieselbe Substanz kann auch von Person zu Person verschieden wirken.
Höhenflug
Und weil Drogen in das Belohnungssystem eingreifen (man fühlt sich im ersten Moment besser oder zumindest so, wie man es gerne hätte), greift man immer wieder zur Flasche, zur Tablette, zur Spritze.
Wann man empfänglich für Drogen ist, hängt von den Lebensumständen ab. Ob jemand zum Alkoholiker wird ist zudem genetisch bedingt. Das Risiko ist ein Drittel höher, wenn in der Familie Alkoholabhängigkeit war. Im Lauf seines Lebens ist man dann für Drogen unterschiedlich empfänglich. Zum Beispiel könne der Renteneintritt dazu führen, dass man plötzlich nichts mehr mit sich anzufangen wisse, und vermehrt trinke. „Und plötzlich ist man abhängig, obwohl man 40 Jahre vorher nie getrunken hat.“ Auch die Belastungen der Corona-Pandemie haben zu steigendem Alkoholmissbrauch geführt.
Bei Jugendlichen verändern Drogen Wachstumsfaktoren im Gehirn, steuern zum Beispiel die Plastizität. „Junge Gehirne sind dafür ganz anders empfänglich.“ Je früher jemand Drogen konsumiert, umso größere Probleme wird er haben – was umgekehrt aber nicht bedeutet, dass man auch als alter Mensch nicht noch stark abhängig werden kann.
Nervengift
Klar widerlegt sei übrigens inzwischen die Behauptung, maßvoller Alkoholkonsum (das Glas Rotwein am Abend) verlängere das Leben. „Alkohol ist ein Nervengift“, macht Oberarzt Salinger deutlich. Jede Droge kann zu Veränderungen im Körper und im Gehirn führen – in welchem Ausmaß lässt sich nicht pauschal sagen, es hängt unter anderem vom Gesundheitszustand des Einzelnen ab.
Wer bei sich selbst feststellt, dass er zu viel trinke oder von einer Droge loskommen möchte, der muss nicht sofort in die Klinik, sagt Salinger. Er verweist auf die Suchthilfe und ambulante Angebote. Auch Selbsthilfegruppen sind gute Anlaufstellen. Das Bezirkskrankenhaus Bayreuth arbeitet eng mit diesen Gruppen zusammen. „Es ist auf jeden Fall sinnvoll, etwas zu unternehmen“, sagt Salinger. „Jedes Ihrer Organe hüpft vor Freude, wenn Sie nicht mehr trinken.“
Suchtexperte Markus Salinger rät jedem, sich einen Maikäfer ins Gedächtnis zu rufen, um vor einem Missbrauch von Suchtmitteln gefeit zu sein. Den Maikäfer? Für Salinger dient das Tier als Symbol: Es steht auf sechs Beinen und hält so seine Balance. Für Menschen sind diese sechs Beine Beruf, Familie/Partnerschaft, Gesundheit, soziale Kontakte, Individualität/Hobbys und Glaube/Spiritualität. Je ausgeglichener die Balance dieser Bereiche ist, desto sicherer sei man vor einem Suchtmittelmissbrauch.
Info: Am 25. März findet von 18 bis etwa 20.30 Uhr ein Informationsabend für Angehörige von Menschen mit Suchterkrankungen am Bezirkskrankenhaus Bayreuth statt. Es geht um Hilfe im Umgang mit den Betroffenen. Referent ist Klaus Luttenberger, Gruppenbegleiter vom Freundeskreis Pegnitz. Die Veranstaltung findet im Nebenraum der alten Wäscherei am Bezirkskrankenhaus Bayreuth statt. Auf Grund der momentan noch aktuell geltenden Corona-Maßnahmen ist eine Anmeldung per Mail an susanne.freund@gebo-med.de nötig.
Wenn Sie unter einer Suchterkrankung leiden und Hilfe brauchen - wenden Sie sich bitte an uns.