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News

Wenn das Mutterglück ausbleibt

Friedlich schlummert das Baby in Mamas Arm. Sie beugt sich liebevoll hinab und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. So oder so ähnlich stellen sich wohl viele das größte Mutterglück vor. Aber was, wenn das nicht so ist? Wenn Schlafentzug, Überforderung und Stress die Oberhand gewinnen. Dann sollte man auf sich Acht geben und Hilfe suchen, sagt Dr. Stephanie Tieden, Oberärztin der Depressionsstation am Bezirkskrankenhaus in Bayreuth.

Größtes Mutterglück – nicht alle Frauen können das so empfinden. Warum?

Das kann ganz verschiedene Ursachen haben und liegt nicht sofort daran, dass mit den Frauen, die das nicht empfinden, etwas nicht stimmt. Schon die Schwangerschaft, aber dann auch die Geburt – egal, wie entbunden wurde – sind oft etwas enorm Anstrengendes, sowohl für Körper als auch Psyche der Entbindenden. Nach einer Geburt findet aber oft kein wortwörtliches „Wochenbett“ mit viel Ruhe und Erholung statt, sondern viele Frauen werden schnell wieder zu 100 Prozent gefordert. Oft geht es direkt nahtlos weiter mit der Versorgung des Säuglings, die Hauptverantwortung liegt meistens bei der Mutter. Ein Wochenbett mit sechs Wochen strenger Bettruhe und viel Unterstützung durch das familiäre Umfeld, wie es früher üblich war, gibt es heute meistens nicht mehr. Im Idealfall hat der Vater des Kindes noch frei und kann helfen, aber auch das ist ja nicht immer so.

Dann kommt bei vielen Erstgebärenden eine Überforderung durch die völlig neuen Lebensumstände hinzu – die Geburt des ersten Kindes ist ein sehr einschneidendes Lebensereignis und fast nichts bleibt im bisher gewohnten Alltagsablauf gleich. Oder es sind schon ältere Geschwisterkinder da, die auch weiter Ansprüche an die Mama stellen, während auch die Bedürfnisse des Säuglings mit berücksichtigt werden müssen. Wenn dann neben dem Säugling, der gerade gestillt werden muss, auch noch ein vielleicht ziemlich eifersüchtiger Zweijähriger da ist, der dann auch vermehrt Aufmerksamkeit fordert, ebenfalls noch gewickelt werden muss und noch nicht immer gut durchschläft, kommt man auch schnell an seine Grenzen. Deshalb sind die Umstellungen auch beim zweiten oder dritten Kind nicht automatisch einfacher, nur weil man „Kinderhaben“ generell schon kennt.

Mit einem oder mehreren Kindern in jüngeren Lebensjahren muss man oft zumindest in den ersten Wochen und Monaten auf einen geregelten Schlaf, auf Zeit für sich und auf gewohnte Abläufe verzichten. Das tut man insofern natürlich gerne, weil man seine Kinder liebt, aber es wäre eine Lüge, dass es deshalb nicht auch gleichzeitig oft anstrengend und enorm auslaugend und kräftezehrend wäre.

Gleichzeitig haben viele Frauen eine hohe Erwartungshaltung an sich selbst in ihrer Mutterrolle. Perfektionismus und von Werbung und Medien genährte überhöhte Ansprüche an die eigenen mütterlichen Fähigkeiten können einen enormen psychischen Druck erzeugen, unter dem manche Mütter stehen. Es wird oft auch gesellschaftlich und vom Umfeld suggeriert, dass eine gute Mutter allzeit für ihr Baby da ist, immer sofort weiß, was das Kind braucht und sich ausschließlich mit dem kindlichen Wohlergehen befasst.

Welche äußeren Faktoren können dabei eine Rolle spielen?

Oft wird uns gerade in den sozialen Medien und der Werbung ein idealisiertes Bild von Mutterglück verkauft, was einfach nicht echt ist. Keine Frau ist in den ersten Wochen nach einer Geburt dauernd „glückselig“ und permanent in Hochstimmung. Solche mythisch überhöhten Idealzustände kann keine Frau erreichen. Trotzdem kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man sich auf beliebten Social Media-Profilen umschaut oder die in Filmen und Werbung gezeigten Mütter sieht. Die Realität sieht oft ganz anders aus, auch bei Prominenten und Influencern, aber das wird nicht immer ehrlich gezeigt, weil es mit dem auch gesellschaftlich gerne vertretenen Müttermythos eben nicht viel zu tun hat. Viele Frauen fühlen sich schnell als Versagerin, wenn sie dem Idealbild nicht entsprechen und machen sich Vorwürfe – eine gute Voraussetzung für eine mögliche depressive Entwicklung.

Wie entsteht eine Wochenbettdepression?

Durch Schwangerschaft und Geburt ist die Konstellation der weiblichen Geschlechtshormone ganz anders als sonst. Wir wissen ja, dass es auch unabhängig von Schwangerschaft und Geburt hormonelle Einflüsse auf unsere Stimmung gibt. Viele Frauen kennen das zum Beispiel auch in den „Tagen vor den Tagen“ (prämenstruelles Syndrom).

Durch die speziellen, sehr starken Hormonausschüttungen in der Schwangerschaft, bei der Geburt und danach kann die Stimmung extrem beeinflusst werden – auch in die depressive Richtung. Oft beginnen Depressionen im Zusammenhang mit einer Geburt auch nicht erst im Wochenbett, sondern schon im Verlauf der Schwangerschaft. Fachleute reden daher allgemeiner häufig von „peripartaler“ Depression, also Depression um die Geburt herum.

Wenn dann noch andere Faktoren, die eine Depression begünstigen, dazu kommen, kann die Stimmung schnell kippen.

Gibt es spezielle Auslöser dafür?

Depressionen haben generell meist nicht nur eine einzige Ursache, sondern es ist eher ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren, die nacheinander oder zeitgleich auftreten. Bei Wochenbettdepressionen kommen zusätzlich zu hormonellen Veränderungen oft noch äußere Faktoren dazu, zum Beispiel der Schlafmangel, das Gefühl der Überforderung und damit Stress dazu sowie der Wegfall von persönlichen Ressourcen, wie Hobbys und der Eintritt in eine völlig neue Lebensphase als Eltern. Wenn dann noch Versagensgefühle hinzukommen, weil man den vielleicht eben sehr hohen Ansprüchen ans eigene Muttersein nicht gerecht wird und dann Schuldgefühle entwickelt, dem Kind keine guter Mutter sein zu können, kann das alles zusammen eine Depression begünstigen.

Welche Rolle spielen äußere Einflüsse?

Oft bestehen von den betroffenen Frauen selbst und/oder dem Umfeld hohe Erwartungen an die Mutterschaft, die Frau sieht sich meist alleine verantwortlich für das Wohl des Kindes, hat vielleicht auch wenig Hilfe und Unterstützung. Wenn gleichzeitig noch perfektionistische Tendenzen dazu kommen oder die Überzeugung, nur dann eine gute Mutter sein zu können, wenn man 24 Stunden über sieben Tage die Woche ganz alleine für das Wohl des Kindes da zu sein hat, kann das schnell in eine extreme Überforderungs- und Erschöpfungssituation führen. Wenn solche Tendenzen dann auch von außen bestärkt werden, egal ob vom Partner, der Schwiegermutter oder anderen Nahestehenden, aber eben auch von Social media & Co, dann wirkt das verstärkend. Und natürlich hat es auch einen Einfluss, wie intensiv die Bedürfnisse des Kindes sind. Wenn man ein „Schreibaby“ hat, das vielleicht aufgrund von anhaltenden Koliken nur schlecht beruhigbar ist und es dann auch noch ein Problem beim Stillen gibt, zusätzlichen Stress durch körperliche Probleme bei der Mutter wie Milchstau oder schlecht heilende Geburtsverletzungen, dann ist das eine sehr ungute Mischung.

Waren betroffene Frauen auch vorher schon depressiv?

Tatsächlich können bereits frühere depressive Episoden ein Risikofaktor sein, auch im Wochenbett eine Depression zu bekommen. Das ist aber keine zwingende Voraussetzung, bei vielen tritt eine Wochenbettdepression auch ohne frühere Depressionen auf.

Wie äußert sich eine Wochenbettdepression?

Die Symptome sind bei einer Wochenbettdepression die gleichen wie auch bei jeder anderen depressiven Störung: Die Betroffenen leiden unter einer dauerhaften gedrückten Stimmung und anhaltenden Niedergeschlagenheit. Viele fühlen sich erschöpft und kraftlos im Alltag, man hat oft für eigentlich gewöhnliche und routinierte Tätigkeiten kaum Antrieb, auch das Zähneputzen kann bei schweren Depressionen schon eine immense Herausforderung sein. Viele können kaum mehr Freude oder andere positive Gefühle empfinden, manche berichten auch von einer inneren Leere oder einem „Gefühl der Gefühllosigkeit“. Oft bestehen darüber hinaus negative und pessimistische Denkinhalte vor allem bezüglich der eigenen Zukunft mit entsprechender Hoffnungslosigkeit, man kann gar nicht mehr glauben, dass es jemals besser werden kann und resigniert zunehmend, weil sich alles einfach so unfassbar schwer anfühlt. Durch die Depression kommt es auch häufig zu Schlafstörungen und verändertem Appetit (meistens Appetitmangel, manchmal auch Frustessen und Heißhungerattacken). Es bestehen oft Schuldgefühle und ein Gefühl der Wertlosigkeit.

Und in einigen Fällen können sich auch Suizidgedanken entwickeln, weil man vielleicht glaubt, dass es auch den anderen – inklusive dem eigenen Kind – ohne die Last der eigenen Anwesenheit besser gehen würde und man selbst zumindest im Tod vielleicht Ruhe von den sehr quälenden Symptomen finden würde.

Viele Frauen ereilt kurz nach der Geburt der so genannte „Babyblues“. Was ist das?

Es gibt hier – wie bei allen Depressionen – meist fließende Übergänge. Oft ist der „Babyblues“ eine Vorstufe mit noch schwächeren, aber sehr ähnlichen Symptomen, die recht bald einige Tage nach der Geburt auftreten und ein paar Tage lang anhalten. Das kommt recht häufig vor, es werden Häufigkeiten von 50-80% beschrieben. Ein Babyblues verschwindet dann aber eben bei vielen Frauen auch nach wenigen Tagen wieder. Wenn die Symptome aber weiter anhalten – mindestens zwei Wochen – und sich vielleicht auch noch verstärken, kann sich auch eine Wochenbettdepression daraus entwickeln.

Was kann helfen?

Schon vor der Geburt eines Kindes sollte man realistisch die eigenen Erwartungen und Bedingungen prüfen. Keine Frau kann wirklich alleinerund um die Uhr ihr Kind über längere Zeit versorgen. Sich aktiv Hilfe zu suchen und anzunehmen, ist kein Zeichen von Schwäche oder mangelnder Eignung als Mutter oder gar fehlender Mutterliebe, sondern ist wertvoll und wichtig, um die Kräfte längerfristig zu erhalten. Ein gutes soziales Netz ist sehr hilfreich, das sprichwörtliche „Dorf“, um ein Kind gut großzuziehen. Es kann sehr entlasten, wenn jeden Tag der Opa mit seinem neuen Enkelkind eine Runde spazieren geht und sich die Mutter in der Zeit einfach mal um sich kümmern kann. Wenn die Oma oder Tante das Kochen übernimmt und der Partner die Einkäufe macht.

Oft ist es auch sehr hilfreich, wenn die eigene Mutter oder gute Freundinnen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Ehrliche Gespräche mit anderen Müttern über die Belastungen in den ersten Wochen mit dem Kind können einfach gut tun und zeigen: Ich bin nicht alleine, auch andere sind überfordert und fühlen sich ausgelaugt. Das kann der Entwicklung von Schuld- und Versagensgefühlen entgegenwirken.

Was kann speziell der Partner tun?

Miteinander reden und aktiv erfragen, wie man konkret helfen kann und auch ohne explizite Aufforderung selbst von Anfang an aktiv bei der Versorgung des Kindes mitmachen. Bis aufs Stillen kann jede Aufgabe der Säuglingsversorgung auch von anderen als der Mutter übernommen werden – das darf man auch aktiv nutzen. Manche Paare sprechen sich z.B. ab, wer in der kommenden Nacht das Baby beruhigt und nötigenfalls auch stundenlang herumträgt, das muss nicht die Mutter sein. Viele Mütter können gedanklich besser abschalten und dann auch besser schlafen, wenn sie wissen, dass die Verantwortung für das kindliche Wohlergehen in der kommenden Nacht verbindlich der Partner übernimmt.

Hier ist es natürlich von Vorteil, wenn die Partner aktiven Gebrauch von der Möglichkeit von Elternzeit insbesondere in den Wochen nach der Geburt machen und möglichst viel zuhause präsent sein können.

Was sollte man vermeiden?

Je konkreter die Erwartungen an die eigene Elternrolle sind, desto schneller kann man bei Nicht-Erfüllung enttäuscht werden. Deshalb sollte man sich nicht durch Instagram, Prominente und Co. ideale Vorstellungen von der eigenen Mutterschaft machen, sondern sich eher ganz pragmatisch ein Netzwerk von unterstützenden Menschen aufbauen, schon bevor das Kind dann da ist.

Wann sollte man sich dringend Hilfe holen?

Wenn mehrere Symptome einer Depression erfüllt sind und schon länger als zwei Wochen anhalten, sollte man auf jeden Fall professionelle Hilfe suchen. Gute Ansprechpartnerinnen sind die nachbetreuende Hebamme oder die Frauenärztin. Es gibt auch Beratungsstellen, in Bayreuth beispielsweise bei der Diakonie. In schweren Fällen kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein, oft kann man aber schon viel ambulant tun.

Wie schaut die Behandlung aus?

Bei einer stationären Behandlung liegt der Fokus auf der Bewältigung der geänderten Lebenssituation und dem persönlichen Umgang damit, der Auseinandersetzung mit den eigenen und fremden Erwartungen an die neue Rolle und das Finden einer gesunden Balance von eigenen Bedürfnissen und Bedürfnissen des Kindes bzw. der Familie. Psychotherapie spielt hier eine wichtige Rolle. Zur akuten Symptombehandlung ist oft auch eine antidepressive Medikation sinnvoll. Hier gibt es mittlerweile Wirkstoffe, die auch in der Stillzeit eingenommen werden können. Depressionen sind eine schwere Erkrankung, aber können gut behandelt werden – auch im Wochenbett.

 

Foto: Tolikoff Photography/Shutterstock