Pflege wird ja oft als Frauenberuf(ung) gesehen …
Thomas Kirpal: Die Wahrnehmung der Pflege als Frauenberuf hat vor allem historische Gründe. In vielen Gesellschaften wurden traditionell bestimmte Berufe aufgrund von Geschlechterrollen zugewiesen. Pflege als fürsorglicher und mütterlicher Beruf wurde vor allem Frauen zugewiesen. Die männliche Rolle in der Gesundheitsversorgung wurde eher im Arztberuf gesehen. Allerdings haben sich in den letzten Jahrzehnten Geschlechterrollen und -erwartungen in vielen Gesellschaften weiterentwickelt. Immer mehr Männer interessieren und entscheiden sich für eine Karriere in der Pflege. Dies hat dazu beigetragen, das traditionelle Bild des Frauenberufs in der Pflege langsam zu verändern. Pflege erfordert spezielle Qualifikationen und Fähigkeiten, die unabhängig vom Geschlecht sind. Menschen beider Geschlechter können die notwendigen Fähigkeiten und die Empathie für die Pflege von Patienten und Bewohnern entwickeln. Die Pflege ist ein breites Berufsfeld, das verschiedene Bereiche wie Krankenpflege, Altenpflege, Kinderkrankenpflege, Psychiatriepflege und mehr umfasst. Vor allem in der Pflege der Psychiatrie gibt es einen hohen Männeranteil, der sich aus dem früheren Wärterberuf entwickelt hat. Männer und Frauen arbeiten in verschiedenen Pflegebereichen zusammen und tragen gleichermaßen dazu bei, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Patienten zu fördern. Somit ändert sich die die Wahrnehmung der Pflege als Frauenberuf allmählich, die Geschlechterstereotypen brechen auf und die Gleichstellung der Geschlechter schreitet voran. In vielen Ländern gibt es Initiativen, die Männer ermutigen, in die Pflegebranche einzusteigen, und die Vielfalt in diesem Berufsfeld zu fördern. Insgesamt ist die Pflege ein Berufsfeld, das für Menschen jeglichen Geschlechts offen ist, und es ist wichtig, die Vielfalt und die wertvollen Beiträge von Pflegefachkräften in all ihren Formen anzuerkennen und zu schätzen. Geschlechterstereotype sollten nicht die Berufswahl oder -möglichkeiten einschränken, und die Wertschätzung für die Pflegeberufe sollte unabhängig vom Geschlecht der Fachkräfte erfolgen.
Und warum sind Männer dann immer noch eine Seltenheit im Pflegeberuf?
Kirpal: Es sind diese Stereotypen, die manche Berufe als typisch männlich oder typisch weiblich erscheinen lassen. Die Pflege wird noch immer als Frauenberuf wahrgenommen. Bei der Berufswahl stehen auch heute noch viele junge Männer unter dem sozialen Druck, eher etwas Handwerkliches oder Technisches zu erlernen. Ein zweiter Grund ist die mangelnde Sichtbarkeit männlicher Pflegefachkräfte. Es gibt kaum Vorbilder oder Rollenmodelle für junge Männer, sich für diesen Beruf zu interessieren. In Deutschland blieben bisher auch die gezielte Ansprache und konkrete Rekrutierungsbemühungen für junge Männer aus.
Was bedeutet es, wenn Männer als Vorbilder für den Beruf fehlen?
Kirpal: Jungen Männern kann es dann schwer fallen, sich vorzustellen, wie ihre Karriere in diesem Bereich aussehen könnte. Das Fehlen von Rollenmodellen kann dazu führen, dass sie sich unsicher fühlen und sich möglicherweise von der Berufswahl abwenden. Das „typisch weibliche“ des Pflegeberufs wird dann überbewertet und es entsteht schnell der falsche Eindruck, dass Pflege nichts für Männer ist. Dies kann die Bereitschaft junger Männer, in den Beruf einzusteigen, weiter einschränken.
Wie wirkt sich Diversität der Geschlechter im Team aus?
Kirpal: Verschiedene Personen und verschiedene Geschlechter führen zu einer breiteren Palette an Perspektiven und Ideen. Verschiedene Lebenserfahrungen und Sichtweisen können dazu beitragen, innovative Lösungen für Probleme zu entwickeln und die Kreativität im Team zu fördern. Aus den unterschiedlichen Blickwinkeln kann eine breitere Palette von Lösungsmöglichkeiten für komplexe Probleme entstehen. Dies kann die Fähigkeit des Teams verbessern, herausfordernde Aufgaben zu bewältigen. So ein Effekt kommt allerdings nichtautomatisch, er hängt von mehreren Faktoren an, zum Beispiel auch von der Atmosphäre im Team, der Führung, der Wertschätzung und Integration aller im Team – unabhängig im Geschlecht.
Warum profitiert gerade die psychiatrische Pflege von männlichen Pflegekräften?
Kirpal: Männer und Frauen können unterschiedliche therapeutische und pflegerische Ansätze sowie Kommunikationsstile haben. Männliche Pflegekräfte können für männliche Patienten hilfreiche Rollenvorbilder sein. Es gibt immer wieder Patienten, die die Betreuung durch männliche Pflegekräfte bevorzugen, sei es aus persönlichen Gründen, aufgrund eines Traumas oder anderen psychischen Gesundheitsproblemen.
Noch so ein Klischee: Männer wollen Karriere machen. Ist das in der Pflege möglich?
Kirpal: Beginnen Sie Ihre Pflegekarriere, indem Sie die notwendigen Qualifikationen erwerben. Pflege bietet eine Vielzahl von Spezialisierungsbereichen, darunter Krankenpflege, Altenpflege, Kinderkrankenpflege, psychische Gesundheitspflege und mehr. Sie können sich auf einen Bereich spezialisieren, der Ihren Interessen und Karrierezielen entspricht. Die Teilnahme an Fortbildungs- und Weiterbildungsprogrammen kann Ihnen helfen, auf dem neuesten Stand der Entwicklungen in der Pflege zu bleiben und Ihre beruflichen Fähigkeiten zu erweitern. Anschließend gibt es in der Pflege unterschiedliche Möglichkeiten für den beruflichen Aufstieg, einschließlich leitender Positionen, Spezialisierung in bestimmten Bereichen, Managementfunktionen und weiterführende Studiengänge in Pflegepädagogik, Pflegemanagement und Pflegewissenschaft. Sie können Ihre Karriere entsprechend Ihren Interessen und Fähigkeiten gestalten. Oder Sie treten einer professionellen Pflegeorganisation bei und engagieren sich in der Pflege-Community und darüber hinaus. Auch im Bereich der Gesundheitspolitik wird Engagement aus der Pflege gerne angenommen und bietet die unterschiedlichsten Karrieremöglichkeiten. Darüber hinaus werden gut ausgebildete Pflegefachkräfte auch von den verschiedensten Industrieunternehmen gesucht. Sie bieten attraktive Positionen in den Bereichen Vertriebs, Consulting und Produktmanagement.
INFO: Wer sich für eine Ausbildung in der Pflege interessiert – egal ob Mann oder Frau – kann sowohl in Kutzenberg als auch in Bayreuth ein Praktikum oder einen Schnuppertag machen. Einfach anrufen oder eine Mail schicken. Den Kontakt finden Sie hier.