Wenn man in Mainz lebt, ist der Weg zum Clown naturgegeben nicht weit, sollte man meinen. Irgendwie logisch also, dass Annette Wewel-Sieffert sich zur Clownin ausbilden ließ? Um Gottes Willen, nein, wehrt sie lachend ab. Mit Karneval hat ein Clown nämlich erst einmal nichts zu tun, sagt sie. Und beginnt zu erzählen.
Ihr Weg zum Clown war kein lustiger, sondern eher einer aus Langeweile. Nach dem zweiten Kind zuhause und ohne wirklich sozialen Anschluss stieß sie eher zufällig auf die Clownschule für Clownpädagogik. „Ich wollte das einfach mal ausprobieren.“ Und so startete sie diese Ausbildung. Sie lernte, sich selbst aufzugeben und ganz einzutauchen in ein anderes Wesen. Beim Clown sein geht es nämlich genau darum: das menschliche Wesen in das Wesen eines Clown zu transformieren, ein Wesen, das mit der Welt nichts zu tun hat. Es geht um eine „Transparenz des Seins und der Haltung, um Durchlässigkeit“, formuliert es Wewel-Sieffert. „Alles muss eine Leichtigkeit haben, auch das Scheitern.“ Scheitern, so sagt sie es, sei das Glück des Clowns.
Bis zur Leichtigkeit wird es schwer. Wewel-Sieffert musste lernen, den Moment maximal zu leben. Wer als Clown auftritt, legt dann auch tatsächlich erst einmal alles Menschliche ab – wortwörtlich zum Beispiel auch den Schmuck. „Es gibt da ganz klare Regeln, alles, was mich mit der Welt verbindet, wird entfernt.“
Transformation
Dann lernt man laufen. Ganz neu. Denn der Gang des Clowns ist ein anderer, als der des Menschen, der man ist. Die Körperhaltung wird neu trainiert. Hilfreich bei dieser Transformation ist immer auch die Verkleidung – man schlüpft ja so tatsächlich in eine andere Rolle. Auch die Stimme ändert sich. Wewel-Sieffert spricht als Clownin mit holländischem Akzent.
„Als Clown tauche ich so in eine Situation ein, dass die Welt verloren ist.“ Ein Clown ist nicht doof, nicht der dumme August, der alles falsch macht. Ein Clown hat etwas damit zu tun, dass man einen Moment miteinander teilt, er ist eine fiktive Figur, die aus dem Nichts kommt, nichts wertet, eine Figur, vor der ich keine Angst haben muss, weil sie im Grunde ist, wie ich.
Keine Scham
Als Mensch ist man durch gesellschaftliche Regeln gebremst, als Clown darf man sich darum nicht scheren. Keine Verhaltensnormen erfüllen, keine Scham fühlen. „Dahin zu kommen, das ist Entwicklung.“ Sie erinnert sich an die Anfänge, als sie „komplett verkopft“ an die Sache heranging. Doch wenn man mit dem Anspruch, etwas abliefern zu müssen, als Clown auftritt, stehe man sich selbst im Weg.
Ihre Erfahrung als Clownin kann Wewel-Sieffert jetzt auch beruflich nutzen. Sie arbeitet als Lehrerin in der Berufsfachschule für Pflege am Bezirkskrankenhaus Bayreuth und ihr fällt es eben leicht, den Schülern auch einmal eine Situation sehr lebensnah vor Augen zu führen. Sie spielt die demente Frau, damit Schülerinnen und Schüler lernen, wie mit Demenz-Patienten umzugehen ist. Sie spielt den Schmerzzyklus einer Patientin, damit die Schüler auch hier sehen, was sie erwartet.
Wewel-Sieffert stammt ursprünglich aus Münster (Westfalen). Sie hat eine Ausbildung zur Krankenschwester, arbeitetet in der Anästhesie und der Intensivmedizin, an Kliniken in der Schweiz, in Münster, in Nürnberg, war in Italien im Tourismus tätig und hat nach vielen Zwischenstationen jetzt in Bayreuth eine Heimat gefunden.
Als Clownin tritt sie aktuell nicht auf – ihr fehlt die Übung. Clown sein müsse trainiert werden, dazu fehle ihr die Zeit. Aber sie probiert sich am Improtheater aus – was eine neue Herausforderung ist, die Interaktion mit anderen im Rampenlicht.
Was ich von einem Clown lernen kann:
*sich aus einer Situation herausnehmen und diese aus einem anderen Blickwinkel betrachten
*anders als gewohnt zu denken
*Begeisterung entwickeln