Rund 80mal wurden in der Bezirksklinik Rehau im vergangenen Jahr Patienten fixiert. Unterschiedlich ausgeprägt. Unterschiedlich lang. Zwangsmaßnahmen – wie eben Fixierungen – werden in der Psychiatrie kontrovers diskutiert. Klar ist, dass diese nicht als alltägliche Behandlungsroutine verstanden werden. Dennoch: Wenn Alternativen fehlen, sind Zwangsmaßnahmen oft nötig. Sie werden dann als letztes Instrument eingesetzt, um das Risiko von Selbstschädigung oder Gefährdung anderer zu minimieren. Ein Beispiel dafür ist der Fall einer Patientin, die aufgrund einer akuten Psychose auf der geschlossenen Station behandelt wurde. Sie zeigte deutliche Anzeichen von Fremd- und Selbstgefährdung, schließlich entschied man sich, die Patientin zu fixieren. Nach dem Vorfall konnte sich die Patientin jedoch nur noch bruchstückhaft daran erinnern und hatte Schwierigkeiten zu verstehen, warum diese Maßnahme notwendig gewesen war. Auch wenn solche Maßnahmen wirken und oft notwendig sind, muss man verantwortungsvoll damit umgehen.
An der Bezirksklinik Rehau wurde eine neue Initiative zur Einführung von Nachbesprechungen nach Fixierungen gestartet. Diese basiert auf dem Modell der Nachbesprechung von Zwangsmaßnahmen, das von Liselotte Mahler, Alexandre Wullschleger und Anne Oster entwickelt, evaluiert und entsprechend angepasst wurde.
Susann Lorenz, leitende Psychologin des vierköpfigen Moderatorenteams an der Klinik, erläutert einige wichtige Aspekte, die bei Nachbesprechungen in der Psychiatrie berücksichtigt werden sollten und wie diese ergänzenden Maßnahmen, zusammen mit den Projekten Deeskalationsmanagement und Safewards, dazu beitragen können, die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.
Verlauf einer Nachbesprechung
Der Umgang mit aggressivem und gewalttätigem Verhalten gehört zu den Anforderungen und Herausforderungen aller Mitarbeiter. Wir versuchen Situationen rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig zu handeln. Erst wenn alle Bemühungen, Konflikte durch Kommunikation zu entschärfen nicht erfolgreich sind, werden Notfallmaßnahmen eingeleitet. Auf jede Fixierung erfolgt innerhalb von drei bis 14 Tagen eine Nachbesprechung mit allen beteiligten Personen. Ihr Hauptziel ist es, die Umstände, Gründe und Auswirkungen der Fixierung zu reflektieren und zu bewerten. Sie bieten sowohl dem medizinische Personal, als auch den Patienten, die Gelegenheit eigenen Handlungen rund um den Einsatz solcher Zwangsmaßnahmen zu analysieren. In der Nachbesprechung begegnen sich beide Seiten als gleichberechtigte Gegenüber. Sie ermöglichen es, Muster zu erkennen, Schwachstellen aufzudecken. und alternative Möglichkeiten für die Zukunft zu finden. Was hätte dem Patienten gutgetan, um eine Krise aufzuhalten? Unter Berücksichtigung individueller Bedürfnissen vor und während der Krise, kann eine Notwendigkeit solcher Zwangsmaßnahme zukünftig reduziert werden.
Warum sind Nachbesprechungen wichtig?
Nachbesprechungen von Fixierungen in der Psychiatrie spielen eine entscheidende Rolle, da sie eine gründliche Reflexion der Situation und der getroffenen Entscheidungen ermöglichen. Im Fokus steht dabei die Bewertung der verbalen Deeskalation, um herauszufinden, wie erfolgreich sie war und welche Alternativen in ähnlichen Krisen künftig präventiv eingesetzt werden können. Sie bieten somit die Chance, deeskalierende Maßnahmen weiter zu optimieren und Fixierungen möglichst zu vermeiden. Ein weiterer zentraler Aspekt ist, die individuellen Bedürfnisse der Patienten zu berücksichtigen. Es wird ein persönlicher Krisenplan entwickelt und alle Ergebnisse und Maßnahmen werden im klinikinternen Medico-System dokumentiert. Durch die Analyse vergangener Fälle können wiederkehrende Muster erkannt und Maßnahmenpläne entwickelt werden, die einsehbar sind, wenn der Patient erneut eingeliefert wird. Dies beinhaltet auch, dass spezifische Skills und Techniken festgelegt werden. Zum Beispiel, vertrauenswürdige Personen zu finden, die dem Patienten in Krisensituationen helfen können. Da sich Patienten, bedingt durch Faktoren wie Demenz oder Drogenkonsum, oft nicht mehr an den Vorfall erinnern oder die Notwendigkeit der Fixierung nicht nachvollziehen können, fördern Nachbesprechungen das Verständnis und die Beziehung zwischen Patient und Personal. Dies stärkt das Vertrauensverhältnis und stellt sicher, dass der Patient sicher ist und sich wohlfühlt. Diese Maßnahme dient zudem dazu, Traumafolgestörungen vorzubeugen.
Insgesamt zeigen Nachbesprechungen von Fixierungen eine vielversprechende Möglichkeit, die Qualität der Versorgung zu verbessern. Durch gezielte Reflexion können Fixierungen langfristig reduziert und nachhaltige, deeskalierende Strategien entwickelt werden.