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News Psychatrie

Die innere Kraft stärken

Chefarzt Dr. Nedal Al-Khatib erläutert, was hinter dem Begriff „Resilienz“ steckt

Nach einer Krise kommen manche Menschen wieder schneller auf die Beine als andere. Dann wird oft von Resilienz gesprochen. Doch was ist das eigentlich und wie kann ich die Kraft in mir stärken? Ist wirklich alles nur eine Frage der Einstellung? Dr. med. Nedal Al-Khatib, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg erläutert den Begriff der seelischen Widerstandsfähigkeit, die wir in Zeiten der Corona-Pandemie besonders gut gebrauchen können.

 

Es war einmal ein Mann, der musste innerhalb von 25 Jahren folgende Schicksalsschläge hinnehmen:

  • er machte Bankrott,
  • er kandidierte für den Senat und wurde nicht gewählt,
  • er machte wieder Bankrott
  • die Frau, die er über alles liebte, starb
  • er erlitt einen Zusammenbruch
  • er kandidierte für den Kongress und wurde nicht gewählt
  • er kandidierte erneut für den Kongress und wurde wieder nicht gewählt
  • er kandidierte für den Senat und verlor
  • er wollte Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden und wurde geschlagen
  • er wurde auch im dritten Versuch nicht in den Senat gewählt.

 

Ganz schön entmutigend, nicht wahr? Nicht so für Abraham Lincoln, der trotz aller Hindernisse der wohl populärste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika wurde, unter anderem deshalb, weil er die Sklaverei abschaffte.

 

Was bedeutet Resilienz?

 

Wenn es einem Menschen gelingt, nach einem oder sogar mehreren schweren Schicksalsschlägen wieder zu einem zufriedenen, erfüllten Leben zurückzukehren, benutzen Psychologen oft den Begriff „Resilienz“. Er beschreibt die innere Stärke, mit Krisensituationen fertig zu werden und leitet sich vom lateinischen Wort „resilire“ ab, das übersetzt so viel wie „abprallen“ bedeutet. Der Begriff stammt aus der Physik: Er beschreibt eine elastische Substanz, die selbst nach einer starken Deformation von ganz allein wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Doch wie ist das auf die Kraft in uns zu übertragen?

 

Chefarzt Dr. Nedal Al-Khatib trifft in seinem Berufsalltag auf Menschen, deren Leben aus den verschiedensten Gründen „aus den Fugen geraten“ ist. Er sagt: „Jeder von uns erlebt Situationen, in denen es so scheint, als würde sich die Welt von einem Moment auf den anderen aufhören zu drehen. Das kann das überraschende Ende einer Liebesbeziehung, der Tod eines geliebten Menschen, der Verlust des Arbeitsplatzes, aber auch der ganz alltägliche Stress sein. Unterschiedlich ist, wie jeder einzelne damit umgeht.“

 

Tatsächlich überstehen jeden Tag Männer, Frauen und Kinder auf der ganzen Welt unzählige Krisen wie Krieg, schwere Verkehrsunfälle oder einen Tsunami. „Mit Katastrophen, Trauer und Verzweiflung weiter zu leben, ist eine wichtige Fähigkeit der Menschheit. Ohne diese Kompetenz hätte sie gar nicht überleben oder sich fortentwickeln können“, erklärt der Chefarzt.

 

Kann man Resilienz lernen?

 

Manchen von uns ist diese seelische Widerstandsfähigkeit von klein auf gegeben – Persönlichkeitseigenschaften und Lebensumstände tragen dazu bei. Resiliente Menschen gelten als fröhlich, ausgeglichen, kreativ und anpassungsfähig. Sie haben einen starken Charakter und einen großen Freundeskreis. Es gibt Psychologen, die sagen, je mehr „und“ man im Leben hätte, desto leichter käme man mit Krisen zurecht. Was bedeutet das? Jemand, der einen befriedigenden Job UND eine gute Partnerschaft UND viele Freunde UND spannende Hobbies UND ein erfüllendes Ehrenamt hat, kommt leichter damit zurecht, wenn es mal nicht so läuft – sei es durch Krankheit oder eine Krise in einem der genannten Lebensbereiche.

 

„Auch wenn das Leben eines jeden Menschen unterschiedlich ist, kann doch jeder die eigene Resilienz steigern. Dazu ist es nie zu spät“, ist Dr. Al-Khatib überzeugt. Psychologen unterscheiden mehrere Eigenschaften, die gewissermaßen Teilbereiche der menschlichen Widerstandskraft sind. Je mehr dieser Eigenschaften sich ein Mensch aneignen kann, desto besser wird er mit Krisen zurechtkommen:

  • Optimismus

Wer gerade eine schlimme Krise durchlebt, dem fällt es ganz besonders schwer, optimistisch zu sein oder zu bleiben. Bei dem irischen Schriftsteller Oscar Wilde hieß es „Am Ende wird alles gut. Wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“ Im täglichen Leben bedeutet das, auch im trostlosesten Moment etwas Gutes zu sehen, kann viel bewirken.

 

  • Akzeptanz

Versuchen Sie, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Erst wer das eigene Schicksal akzeptiert, kann damit beginnen, die anstehenden Probleme in Angriff zu nehmen. Wer nur die Augen verschließt und alles ablehnt, verschwendet unnötig seine Kräfte. Und gerade die braucht er doch so dringend.

 

  • Lösungsorientierung

Resiliente Menschen lassen sich durch Probleme nur kurzzeitig oder geringfügig aus der Ruhe bringen. Sie sehen das Ganze eher als eine Herausforderung. Statt sich zu fragen „Warum hat es gerade mich getroffen?“, fragen Sie sich „Jetzt hat es mich getroffen, was kann ich tun, um aus der Situation möglichst schnell und heil wieder herauszukommen?“. Das Ziel ist, in jeder Situation handlungsfähig zu bleiben.

 

  • Opferrolle verlassen

Wer sich zum Opfer machen lässt oder sich als solches sieht, fühlt sich ohnmächtig und allein gelassen. Nur wer es schafft, diese Opferrolle zu verlassen, der beginnt beinahe automatisch damit, die eigene Situation zu beurteilen. Sich selbst zu bedauern, wirkt selbstverletzend und verbaut den Weg, nach vorne zu sehen.

 

  • Verantwortung übernehmen

Sich andauernd von Schuldgefühlen herunterziehen zu lassen oder immer anderen die Schuld für die eigene Misere zu geben, ist die falsche Strategie. Ziel ist es, realistisch einzuschätzen, welchen Teil man selbst zur gegenwärtigen Krise beigetragen hat. Wenn man das selbst nicht kann, weil man zu sehr involviert ist, dann sollte man unbedingt

 

  • Netzwerke aufbauen

Wer sich anderen Menschen anvertrauen und engere Bindungen eingehen kann, steigert dadurch das eigene Selbstwertgefühl und kann Krisen gelassener überstehen. Viele Menschen kostet es große Überwindung, andere um Hilfe zu bitten. Doch wer Familienmitglieder oder Freunde um sich hat, die wie ein Fels in der Brandung hinter einem stehen, erlangt innere Stärke. Einsamkeit dagegen führt zu immer stärkerem Rückzug.

 

  • Zukunft planen

Resiliente Menschen fragen sich häufig „Was wäre, wenn…“. Ein vorausblickendes Krisenmanagement trägt dazu bei, plötzlich auftretende Probleme wie Verschuldung, Scheidung, Kündigung oder eine schwere Erkrankung leichter zu überwinden.

 

Also alles ganz einfach? Chefarzt Dr. Al-Khatib schränkt ein: „Auch eine ausgeprägte Stärke schützt niemanden vor seelischen Schmerzen. Leidvolle Erfahrungen gehören zum menschlichen Leben dazu. Nur wer verletzlich ist und eigenen Schmerz kennt, kann mit anderen mitfühlen, also empathisch sein.“

 

 

Lebensphasen

Bedeutende Stressauslöser*

 

18- bis 29-Jährige: Beruf (71Prozent)

30- bis 39-Jährige: Kinder (43 Prozent)

40- bis 49-Jährige: private Konflikte (32 Prozent)

50- bis 59-Jährige: schwere Krankheit eines Nahestehenden (31 Prozent)

60- bis 69-Jährige: Pflege  eines Angehörigen (28 Prozent)

 

Entspannung

Die beliebtesten Strategien*

 

Hobby (71 Prozent)

Faulenzen (68 Prozent)

Freunde/Familie (67 Prozent)

Gartenarbeit/spazieren gehen (60 Prozent)

Musik (60 Prozent)

 

*Quelle: TK-Stressstudie 2016; Umfrage im Juni und Juli 2016 durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa, 1200 Befragte ab 18 Jahren, Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich